Maple Leaf

Friday, August 17, 2007

Das Land um uns

Gibt es nicht immer Zeiten im Leben, wo sich alles in einer Klarheit zeigt, so wie die Regentropfen wenn sie vom Himmel fallen - jene Gefühle der Ohnmacht die man aus der eigenen Kindheit kennt. Man steht an einem blühenden Feld voller Sonnenblumen und sieht den angrenzenden Wald schier zum Himmel ragen - diese Stille beim Anblick vergisst man nie, und es hat nicht mit Verlust zu tun.

Jenes Land hier oben, bringt jeden in diese Situation. Die Leere des Landes zeigt sich auf den Flügeln einer jeden Brise. Es ist einnehmend. Breathtaking.

Und ganz und gar nicht traurig. Es ist eher ein Neid am Land, das einen wie die harten Zeiten der Jugend formt. Die Fähigkeit der Natur wirksam auf den Mensch als Individuum einzugehen beeindruckt. Unendlich erscheinende Gletschergebiete und die weiten Landschaften der Tundra spülen die Vorstellung von Raum im europäischen Kontext rasch beiseite.

Auch stellt sich das Land gegen die Hiebe von außen. Es kommt einem fast wie ein Versprechen vor. Die unbefleckte Wildnis abseits jeder Route widersetzt sich scheinbar problemlos.
Sich diesem zu öffnen, der Kultur der Natur und derer Wendung oder plötzlich auftauchenden Canyons gegenüber zu stehen...so leer sie auch sind und doch voller Geschichte im selben Atemzug...dies wirkt direkt.

All die Jahre in den Städten haben es nicht vermocht Uns zu ändern - das Gefühl unglaublicher Ehrfurcht. Man sieht es in den Blicken.

Die Alten sprechen vom Land sehr liebenswert. Sie sagen das es niemmals gehen wird.
So schenken Sie dem weiten Lande einen letzten Blick. So muss man sich gefühlt haben als kleiner Junge, den enormen Ausmaßen Tribut zollend, die schiere Wildnis im Ganzen akzeptieren.

Es war die Zeiten der großen Familien, der großen Herden. Eine Zeit die ohne Zeit nie älter wurde. Wo Wunden natürlich und historisch alltäglich war. Wo Blut das Leben schenkte, die Gier dem Magen der Familie galt. Finden wir uns nicht deshalb so oft auf weiten Feldern stehend oder auf klaren Wassern wieder. Das Sammeln der Beeren, das Kanu im reißenden Fluß mit anschliessendem Picknick auf der Insel nebenan? Das Land gibt uns Raum zur Bewegung und einen Himmel den man sieht, und eine Jahreszeit den man spüren sollte.

Die Ansichten wirken auf manche gespenstisch. Heutzutage fällt es nicht immer leicht, sich eingestehen, es nicht mehr zu verstehen. Die zivilisierte Sicht von Ordnung und Anordnung macht die Anwesenheit in hiesiger Umgebung nicht immer einfach. Letztendlich aber eint die Gemeinsamkeit an Ruhe im Seelenleben den reisenden Präzidenszfall.

Im letzten Jahr fuhr ich zelten. Die Schotterstrasse am nahen Piniensee führte direkt zu einem schönen Platz, oberhalb einer Lichtung mit Blick über den See. In kurzer Distanz errichtete eine Familie ihr Lager. Ich hatte sie glatt übersehen. Vater, Mutter, Sohn, eine jüngere Tochter und die Großmutter. So kam ich nicht drum herum sie zu beobachten. Sie packten alle gemeinsam beim Zeltaufbau mit an (ein schönes altes Leinenzelt) und sammelten gemeinsam Feuerholz. Die zarten Äste wurden bewußt getrennt um das Entzünden des Feuers später simpel zu gestalten. Als sie mein orangefarbenes Zelt, welches dem aktuellen Trend der Industrie folgt, sahen, fingen sie alle an zu lachen. Dieser kanadischen Einladung folgte ich prompt und saß auch gleich mit der Familie zusammen am See. Die Großmutter erzählte in einfühlsam gewählten Worten Geschichten über das angrenzenden Land und den See an welchem wir gedankenversunken saßen. Sie sprach über die wechselnden Orte ihrer Kindheit, wie die Menschen damals den Herden zu den verschiedensten Jahreszeiten folgten, z.B. dem Moose, dem Caribou oder den Fischzügen im Spätsommer. Wie sie das Spuren lesen und die Orientierung an den Sternen lernte, beeindruckte mich am meisten. Sie kann mit ihren Kenntnissen ihr Heimatdorf ohne Hilfsmittel problemlos durch die Hilfe der Wildnis erreichen. Wir glauben ihr.

Das riesige Kanu der Familie kam im Anschluss ins Spiel. Meine Mithilfe bei der Beladung stand außer Frage, als ich mich in mitten des Sees, in unglaublicher Ruhe wieder fand. Es war still, ein perfekter Nachmittag und das Paddeln ging sehr leicht. Wir sprachen nur wenig und die Großmutter steuerte uns zielgerichtet auf einen Umleger zu. Hier also luden, die Großmutter sprach plötzlich wieder lauter, vor hunderten Jahren ihre Vorfahren die Kanus zur gefährlichen Flußüberquerung um. Erst im nachhinein wurde mir die Besonderheit jener Stelle, deren Geschichtsträchtigkeit bewußt. Wer kann heutzutage wissentlich behaupten, wo sein Urururururgroßvater sein Leben vor den Gefahren des Wassers schützte. Ich fühl mich klein in diesen Momenten.

Wir trugen das Boot über 2km zu einer sicheren Stelle am oberen Flussende, setzten langsam ein und fuhren weiter. Der Fluß mündete in einen unscheinbar gelegenen See. Von den umliegenden Wälder versteckt, genügt er sich am besten alleine.
Wie wunderbar. Direkt in den ersten Bäumen entdeckten wir auch ein riesiges Nest. Seeadler geniessen in manchen Sommern bereits im Yukon ihre jungen Nachkömmlinge.
Die atemberaubende Stimmung lag in der Ruhe der Umgebung selbst. Niemand sprach ein Wort. So paddelten wir befreit und in Harmonie um den See und verloren uns im Augenblick.
Die Natur übernahm das Steuer. Mehr noch ! Es gab nur das Land, das Orchester des wechselnden Windes und Stein und Himmel. Man konnte die Präsens der Ahnen erahnen, fühlten uns frei und genossen das Unglaubliche. So schön, so einfach schön.

Wir kamen am frühen Abend zurück und auch die Sprache fanden wir wieder. Das Lachen der Gesichter erzählte mehr als alle Worte. Ich bin noch immer überwältigt jene Geschichte, jene Momente erlebt zu haben. Dem einzelnen Gedanken solch Offenheit zu schenken, sich den Ahnen in dieser Art zu nähern, das prägt. Zum Glück. Wie der Geruch des Zedernholzes in der Mitte des Lagers am späten Abend.

Es war die perfekte Idylle. Eine unveränderte Welt,unberührt in jeder Szene.

Als ich am morgen die Rückfahrt antrat sah ich eine andere Familie. Im Campinghocker versunken, schaute die Familie ein Eishockeyspiel an einem batteriegetriebenen Fernseher. Ich musste laut lachen als ich an ihnen vorbei fuhr. Ich lachte über die Kollision der Zeiten, was mich später aber verwirrte. Diese schöne Zeit mit fremden Menschen ist mir näher, als der Druck mich täglich irgendwo beweisen zu müssen. Aber die Zeit macht es einem heute auch nicht einfach.

Wir haben alle bereits schwierige Zeiten gesehen. Jeder sah Entwicklungen kommen und gehen, sich selbst im Spiegel anders wie real erscheinend, involviert in eine Melange aus Alt und Jung, wissend aber unerforscht.

Wie ist es nun - das Land um uns herum ? Wir alle zusammen tragen eine wahre, ehrlichere Zeit in uns. Wir alle kommen zu unserem Land auf verschiedenen Wegen, definieren uns aber alle über die selbe richtende Hand. Man sollte zu sich stehen, sich wie ein Kind, so unbewusst öffnen, Distanzen schätzen und Werte achten - denn auch unsere Zeit ist nur ein Konstrukt, navigiert vom Verlangen !!!!

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